Fachartikel HEV

Gesamtkostenbetrachtung aus Sicht der Bauherrschaft

    Beim Bauen soll alles stimmen: die Gebrauchstauglichkeit, die Erscheinung, die Termine, die Qualität – und die Kosten. Dass letztere immer wieder aus dem Ruder laufen, kann verschiedenste Gründe haben und lässt sich nie ganz ausschliessen. Das Beherzigen gewisser Grundsätze kann einem jedoch viel Ärger ersparen.

     

    Bauen kostet – vorher, während und danach. Die Frage ist: Lassen sich die Kosten steuern? Bei Sanierungen und Umbauten birgt vor allem die bestehende Bausubstanz mehr oder weniger teure Überraschungen. Manchmal kommt das böse Erwachen aber auch erst mit der Schlussrechnung, hat man ja lange Zeit keinen Anlass gehabt, an der Einhaltung des Budgets zu zweifeln. Vieles, wovor man beim Bauen Respekt hat, unterscheidet sich im Grunde gar nicht so stark von anderen Investitionsentscheidungen wie beispielsweise einem Autokauf. Dennoch hilft es beim Bauen, wenn von der Erfahrung von Fachleuten profitiert werden kann, insbesondere weil es beim Bauen auch um sehr viel Geld geht.

     

    GESAMTKOSTEN ALS LEBENSZYKLUSKOSTEN VERSTEHEN
    Bauen respektive Sanieren oder Umbauen sind nur einzelne Abschnitte im Lebenszyklus einer Baute, der als Kreislauf zu verstehen ist. Am Anfang dieses Kreislaufes steht das Erkennen und Formulieren eines Bedürfnisses und die Erarbeitung einer Strategie. Danach wird geplant und gebaut. Die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten können als Erstellungskosten bezeichnet werden. Wenn das Bauvorhaben abgeschlossen ist, beginnt die Nutzungsphase, in der die Baute betrieben, unterhalten, saniert, eventuell umgebaut und am Ende zurückgebaut wird. Jeder dieser Vorgänge generiert Kosten, die in der Summe die Nutzungskosten ausmachen. Die Gesamt- oder eben Lebenszykluskosten einer Baute setzen sich somit aus Erstellungs- und Nutzungskosten zusammen.

     

    KOSTEN IN DER FRÜHEN PLANUNG STEUERN
    Eine zugegebenermassen sehr grobe Faustregel sagt, dass sich die direkten Baukosten aus Grössenordnung 20 – 25 % Planungsleistungen und etwa 75 – 80 % Realisierungskosten zusammensetzen. Die Erarbeitung eines Vorprojekts mit Kostenschätzung (Genauigkeit etwa ± 25 %) machen von den ganzen Planungskosten wiederum nur einen kleinen Teil, nämlich etwa 10 %, aus. Die Erfahrung zeigt, dass die Weichen für die Realisierungskosten bereits massgeblich im Vorprojekt, sprich in den frühen Planungsphasen, gestellt werden. Da sich frühe Planungsentscheide nicht nur auf die Erstellungskosten, sondern auch auf die späteren Nutzungskosten auswirken und da die Nutzungskosten um ein Vielfaches höher sind als die Erstellungskosten, erhalten die frühen Planungsphasen eine umso grössere Bedeutung. Für einen gelungenen Einstieg in diese ersten Planungsphasen ist es jedoch unerlässlich, dass Hauseigentümer oder solche, die es noch werden wollen, ihre Bedürfnisse und Ziele, die sie mit einem Bauvorhaben erreichen wollen, zwar mit viel Lust und Freude, gleichzeitig aber auch schon mit Blick auf das Lebenszyklusmodell von Gebäuden festlegen. Bereits bei diesem allerersten «Planungsschritt» kann sich eine entsprechend geeignete Unterstützung von Fachpersonen sehr bezahlt machen. Fazit: Kosten werden massgeblich von den eigenen Projektvorgaben und den frühen Planungsschritten beeinflusst.

     

    RISIKEN ERKENNEN UND REDUZIEREN
    Bauvorhaben bergen immer Risiken. Sie können sich überall verstecken und werden bei oberflächlicher Betrachtung gerne übersehen: Das Gebäude oder der Baugrund weisen Schadstoffe auf, die für viel Geld saniert werden müssen; die Statik eines Gebäudes ist weniger tragfähig als angenommen, und es werden teure Zusatzmassnahmen nötig; die Erfüllung von gesetzlichen Auflagen oder eigene, zu spät erkannte Projektänderungswünsche verursachen nicht kalkulierte Mehrkosten; das Projekt ist «plötzlich» so teuer geworden, dass es nicht mehr finanziert werden kann. An Beispielen fehlt es nicht. Aber: Risiken können reduziert werden, wenn man einerseits möglichst systematisch Schritt für Schritt vorgeht (beispielsweise anhand von bekannten Projektphasenmodellen) und sich andererseits so früh wie möglich überlegt, welche Risiken im eigenen Bauvorhaben auftauchen könnten und wie es gelingt, diese Risiken in einer sinnvollen Bearbeitungstiefe abzuklären und einzuschätzen. Anhand der erfolgten Risikobeurteilung sind in den Projektkosten entsprechende Reserven vorzusehen. Diese können sich beispielsweise aus 10 % für Unvorhergesehenes aus dem Projekt und 5 % für eigene Projektänderungswünsche zusammensetzen.

     

    KOSTEN BEOBACHTEN
    Damit die Bauherrschaft während eines Bauvorhabens weiss, ob sie hinsichtlich der Kosten eingreifen muss oder nicht, benötigt sie regelmässig einen mit früheren Kostenständen vergleichbaren Überblick. Hierfür empfiehlt es sich, mit den Planern von Beginn an ein rigides Kostenmanagement zu vereinbaren und dies bis zum Projektende beizubehalten. Hierzu gehört auch das laufende Überprüfen und Bewirtschaften der eingesetzten Reserven. Es muss klar sein, dass es neben den direkten Baukosten, die in der Regel durch die Planer ermittelt werden, zusätzliche Bauherrenkosten gibt, die man nicht vergessen darf. Hierzu gehören unter anderem Kosten für Ausstattung, Finanzierung, eigene oder externe Bauherrenkosten, juristische Beratung, Vermarktungs- und Erstvermietungshonorare, Steuern, Gebühren etc. Es gilt: Was früh erkannt wird, kann besser gesteuert werden.

     

    FAST WIE IM RICHTIGEN LEBEN
    Wie gesagt: Bauvorhaben laufen im Grunde sehr ähnlich ab wie viele andere Investitionsentscheidungen. Weil es sich dabei für die meisten Bauwilligen um das «grösste Geschäft ihres Lebens» handelt, sind sie zu Projektbeginn oft verunsichert. Daher kann sich das Beherzigen von einigen Grundsätzen und auch das Abstützen auf die Erfahrung von ausgewiesenen Fachleuten durchaus bezahlt machen – haben doch viele Entscheidungen sehr langfristige und kostspielige Auswirkungen.
    Text: Martin Boda

     

    Artikel als PDF: HEV 22/2016