Und plötzlich sank das Nachbarshaus ein
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Und plötzlich sank das Nachbarshaus ein

    In Anbetracht der mit einem Bauvorhaben einhergehenden Kosten und Risiken gehören die Prämienkosten für Bauversicherungen nicht zu den «Kostentreibern». Einsparungen bei dieser Position wären also falsch angesetzt. Auch wenn bei den meisten Bauvorhaben die Bauversicherungen glücklicherweise nie benötigt werden.

     

    Der etwas plakative Titel dieses Textes ist nicht übertrieben. Bauen stellt für die Bauherrschaft ein nicht unerhebliches Risiko dar. Bei der Planung und der Erstellung eines Bauwerks wird sie mit Versicherungsangeboten konfrontiert, welche auf den ersten Blick überflüssig erscheinen mögen. Oftmals wird davon ausgegangen, dass die am Bau beteiligten Fachleute zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sich ein Zwischenfall ereignet. Doch das ist oft nicht zutreffend. Die Bauherrschaft wird bei Schäden durch ihr Bauwerk grundsätzlich haftpflichtig. Dies, auch wenn sie direkt keine Schuld trifft. Man nennt dies Kausalhaftung. Das ZGB/OR lässt sich dazu wie folgt zitieren:

     

    Art. 679 ZGB:
    Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.

     

    Art. 58 OR:
    1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
    2 Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind. Dem Bauherrn bleibt also, gem. Art. 58 OR, der Rückgriff auf andere. Dazu kann gesagt werden, dass alle Baubeteiligten grundsätzlich aus Verschulden haften. Dies ist auf den ersten Blick beruhigend, die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Haftungsansprüche im Streitfall oft nur sehr mühsam durchzusetzen sind und auch im Erfolgsfall bis zur ersten Zahlung Jahre vergehen können. Im Weiteren gibt es, insbesondere im Bauwesen, auch Schadenfälle, für die es keinen oder zumindest keinen direkten Verantwortlichen gibt, der hierzu zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Was geschieht, wenn sich beispielsweise das Kind des zukünftigen Nachbarn auf der Baustelle schwer verletzt oder, wie im Titel angemerkt, ein durch die Baustelle ausgelöster Hangrutsch zum Einsinken des Nachbarhauses führt? In diesen Fällen wird die Bauherrschaft als Grundeigentümerin voll zur Rechenschaft gezogen.
    Die Bauherrenhaftpflichtversicherung schützt nicht nur vor den finanziellen Folgen solch fataler Ereignisse, sondern auch vor unrechtmässig erhobenen
    Forderungen. Entgegen eines weit verbreiteten Irrtums ist die Privathaftpflichtversicherung für allfällige als Bauherr zu verantwortenden Schäden und Ansprüchen nicht ausreichend. Vielfach sind diese Haftpflichtansprüche, vor allem bei älteren Verträgen, entweder gar nicht oder nur sehr beschränkt gedeckt. Neuere Privathaftpflicht-Policen decken heute im Rahmen des normalen Deckungsumfangs die Bauherrenrisiken bei sogenannten «Bagatellvorhaben » bis zu einer Bausumme von meist CHF 50 000.–. Dies vor dem Hintergrund, dass periodische Erneuerungen im Rahmen des ordentlichen Unterhalts jeweils ohne Abschluss einer Zusatzversicherung erledigt werden können.
    Die Deckung der Bauherrenhaftpflichtversicherung erstreckt sich auf die Haftpflicht des Bauherrn für Personen- und Sachschäden, insbesondere für Schäden an benachbarten Gebäuden und Grundstücken, also konkret alle finanziellen Forderungen, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen gegen den Bauherrn erhoben werden können: Die Garantiesumme wird normalerweise zwischen 3 und 5 Mio. Franken angesetzt. Die Prämien für die ganze Bauzeit
    betragen bei den schweizerischen Versicherungsgesellschaften in Abhängigkeit der Bausumme zwischen 0,3 bis 0,6 Promille. Es lohnt sich also, mehrere Anbieter anzufragen. Der Bauleiter, aber auch Immobilien- und Versicherungsfachleute sind in der Lage, solche Ausschreibungen zu verfassen und die Angebote objektiv zu vergleichen.

     

    VERURSACHER IST NICHT AUSZUMACHEN – WER ZAHLT?
    Im Gegensatz dazu sollte der Abschluss einer Bauwesenversicherung, auch bei «Bagatellbauvorhaben», unbedingt geprüft werden. Sobald das Bauvorhaben eine gewisse «Eingriffstiefe » erreicht, bietet diese Versicherung für alles, was fest mit dem Bauwerk verbunden ist, einen sehr zweckmässigen Schutz. Sie wird immer dann benötigt, wenn für eine Beschädigung im Zusammenhang mit dem «Bauwesen » kein Verursacher auszumachen ist. Ob eine Decke einstürzt, Hangwasser die Baustelle in ein Schwimmbad verwandelt oder Vandalen am Werk sind – im Normalfall kommt die Bauwesenversicherung für die Kosten auf. Sie stellt die eigentliche «Kaskoversicherung » des Bauwerks dar. Die Bauwesenversicherung wird in der Regel durch die Bauherrschaft abgeschlossen und schliesst gewöhnlich alle Baubeteiligten mit ein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Mängel aus ungenügender Arbeitsleistung der Baubeteiligten durch die Bauwesenversicherung nicht abgedeckt sind. Entsteht ein Streit, wer für die Behebung des Schadens einstehen muss, klärt die Bauwesenversicherung Ursachen und Verantwortlichkeiten ab, schiesst das Geld für den Wiederaufbau vor und versucht dann selber, bei den Haftpflichtversicherungen der Baubeteiligten die Kosten wieder einzubringen. Damit wird die Bauherrschaft entlastet, der Bau nicht unnötig verzögert und damit insbesondere weitere Vermögensschäden verhindert.
    Nicht selten schreiben die Banken bei der Gewährung von Baukrediten den Abschluss von Bauwesenversicherungen vor, vor allem, wenn sich der Bauherr als Bankkunde bereits am finanziellen Limit bewegt oder wenn am Bauvorhaben Unternehmer beteiligt sind, welche ein solcher Schadenfall in finanzielle Nöte bringen würde. Die Bauwesenversicherung bietet jedoch keine Erfüllungsgarantie. Diese ist separat mit dem Unternehmer zu vereinbaren. In Anbetracht der erheblichen Risiken für die Bauherrschaft sind die Prämienkosten der Bauwesenversicherung moderat. Diese belaufen sich bei einem Neubau mit einer Bausumme zwischen CHF 600 000.– und CHF 3 Mio. (ohne Grundstücks-, Erschliessungs- und Finanzierungskosten) bei einem üblichen Deckungsumfang auf rund 1,0 bis 1,4 Promille der Bausumme. Vereinbarungen im Werkvertrag, wonach der Bauherr als Versicherungsnehmer diese Prämien anteilsmässig auf die Baubeteiligten überwälzt, sind heute üblich.

     

    SCHUTZ GEGEN BRAND- UND ELEMENTAREREIGNISSE
    Die kantonale Bauzeitversicherung deckt Schäden am Gebäude, die durch Brand- und Elementar-Ereignisse entstehen. Sie sind je nach Kanton obligatorisch und die Anmeldung erfolgt normalerweise durch den Bauverantwortlichen, in der Regel durch den Architekten oder Bauleiter. Diese Versicherung deckt ab Baubeginn die unbeweglichen, das heisst fest eingebauten Teile des Baus – progressiv dem jeweils verbauten Substanzwert entsprechend – gegen Feuer- und Elementarschäden ab. Nach Abschluss des Bauvorhabens wird durch die Bauleitung eine sogenannte Schlussschätzung veranlasst, welche Basis für die Festlegung (Neubauten) respektive Anpassung (bei Umbauten) des Gebäudeversicherungswerts ist. Die Kosten für die Bauzeitversicherung unterscheiden sich kantonal: im Kanton Zürich liegen diese beispielsweise bei circa 0,3 Promille der Bausumme. Gesamthaft müssen demnach bei einem Abschluss der ausgeführten drei wichtigsten Versicherungen, in Abhängigkeit der Bausumme und bei einem Selbstbehalt von CHF 1000.–, insgesamt rund 1,5 bis 2,5 Promille der Bausumme einkalkuliert werden. In Anbetracht der mit einem Bauvorhaben einhergehenden erheblichen Bauherrenrisiken halten sich die Prämienkosten für Versicherungen durchaus im Rahmen. Einsparungen bei dieser Position wären also falsch angesetzt. Auch wenn bei den meisten Bauvorhaben die Bauversicherungen glücklicherweise nie benötigt werden.
    Text: Pascal Lutz

     

    Fachartikel als PDF: Traumhaus 1/2010