Wenn Bäume Schuld sind am Nachbarschafts-Krach
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Wenn Bäume Schuld sind am Nachbarschafts-Krach

    Besonders in der Sommer- und Herbstzeit sind sie aktuell: die nervenaufreibenden Nachbarschaftsstreitigkeiten. Äste, die über die Grundstücksgrenze reichen, oder Laub, das auf den Nachbarsrasen fällt, geben Grund zum Unmut. Experte Pascal Lutz informiert, welche Schritte rechtlich erlaubt und empfehlenswert sind.

     

    Es ist statistisch belegt; Nach­barschaftsstreitigkeiten machen einen ganz bedeuten­den Teil aller juristischen Auseinandersetzungen aus. Mit dem Sommer­ und Herbstbeginn rücken diese Konflikte jeweils zwangsläufig vermehrt in den Vordergrund. Der folgende, vielen Wohneigentümern in ähnlicher Form wohl nicht ganz unbekannte Fall führt häufig zu Streit. In Kenntnis der dies­bezüglich geltenden Rechtslage liessen sich gewisse Auseinandersetzungen schnell beilegen oder gar vermeiden.
    «Fast täglich ärgern wir uns über eine Baumgruppe, welche vom Nachbar­grundstück weit in unser Grundstück ragt und den Garten mit faulem Obst und Blät­tern verwüstet. Seit Kurzem können wir aufgrund der Äste kaum mehr aufrecht an unserem Grillplatz stehen. Und wenn der Herbst kommt, nimmt des Laub­rechen stets einen Grossteil unserer Gartenarbeit ein, da an windigen Tagen Unmengen  von Laub zusätzlich auf unser Grundstück geweht wird. Wir würden es daher sehr begrüssen, wenn die Bäume etwas zurück­geschnitten oder gar vollständig gefällt würden. Unser Nachbar zeigt hierfür aber wenig Verständnis und erachtet sich als nicht zuständig.»

     

    ÄSTE DÜRFEN IN BESTIMMTEN FÄLLEN GEKAPPT WERDEN
    Dieses heikle Thema führt immer wieder zu intensiven Streitigkeiten und es existie­ren hierzu zahlreiche Abhandlungen und Rechtsurteile. Grundsätzlich gilt Art. 687 ZGB, der Hauseigentümern das Recht gibt, Äste die die Grundstücksgrenze überragen und das Eigentum schädigen – das heisst in der Nutzung beeinträchtigen – kappen zu lassen: Dies jeweils unter dem Vorbehalt, dass die Äste auf eine Beschwerde hin nicht innert angemessener Frist durch den betreffenden Baumeigentümer selbst beseitigt wurden.
    Im vorliegenden Fall ist dabei vorerst zu klären, ob überhaupt eine Schädigung im Sinne des oben genannten Art. 687 ZGB vorliegt. Der entsprechende Nachweis ist meistens sehr schwierig zu erbringen. Zur Beurteilung empfiehlt sich daher der Beizug eines auf Nachbarrecht spezialisier­ten Juristen. Falls eine Schädigung vorliegt, ist die Angemessenheit der Beseitigungs­frist fallweise zu beurteilen. Diese richtet sich nach der Jahreszeit, dem Schaden, der dem betreffenden Gartenbesitzer durch den Überhang entsteht, sowie dem Scha­den, der dem Baumeigentümer durch eine unzeitige Kappung entstehen könnte. In jedem Fall gilt: Eine Kappung ohne Not sollte nur während der sogenannten Vege­tationsruhe, das heisst zwischen dem 1. November und dem 1. März, erfolgen.

     

    BAUMSTÄMME AUF DER GRENZE SIND WAHRE GRENZFÄLLE
    Art. 687 ZGB findet nicht auf Bäume An­wendung, die mit dem Stamm überragen oder auf der Grenze stehen, da die Kappung des Baumstammes meist das Absterben des ganzen Baumes zur Folge hat. Wenn, wie im obigen Fall, die Baumgruppe umfangreich zurückgeschnitten würde, besteht ein Restrisiko, dass diese Schaden nimmt, respektive komplett abstirbt. Ge­mäss einem Entscheid des Zürcher Ober­gerichts muss aber bei einer rechtsmässi­gen Kappung nicht darauf Rücksicht genommen werden, ob der Baum dabei Schaden erleidet.
    Gesetzlich existiert ein Eigentumsrecht an den gekappten Ästen, was als Äquivalent für die Mühe und Arbeit des Kappens angesehen wird. Dies entspricht im obigen Fall aber natürlich nicht den wirtschaft­lichen Interessen und ist daher wohl eher eine Belastung als eine Beloh­nung. Es kann gegen den Baumeigentümer auch auf Beseitigung des Überhangs ge­klagt werden, was aber meist weit be­schwerlicher ist, als die Sache gleich selbst zu erledigen.

     

    LAUB GILT NICHT ALS SCHÄDIGEND
    Allfälliger Laub, der von der Nachbarparzel­le eingetragen wird, gilt normalerweise als nicht schädigend und stellt daher auch keine erhebliche Beeinträchtigung dar. Insbesondere in Gegenden mit vielen grösseren Gärten gelten derartige Immissionen im Herbst als ortsüblich und müssen daher meist geduldet werden. Daraus ergibt sich auch, dass der Nachbar, respektive der Baumeigentümer, weder zur Räumung noch zu einer Kostenübernahme der Laub-­Entsorgung angehalten werden kann. Der beste Rat ist aber, einen Streit gar nicht erst eskalieren zu lassen und  offen aufeinander zuzugehen. Vielleicht kann man ja auch einmal gemeinsam, fern aller Grundstücksgrenzen, etwas Laub zusammenrechen.
    Text: Pascal Lutz

     

    Fachartikel als PDF: Traumhaus 4/2013